Sonntag, den 03. Oktober 2021, von Pastor Dr. Kord Schoeler

Heilung – Das Lied des Königs Hiskia (Jesaja 38,9-20)

Predigt zum 19. Sonntag nach Trinitatis 2021

Liebe Leserin, lieber Leser,

Ist jetzt wieder gut? Na, ja …! – Kennen Sie die ersten vorsichtigen Schritte nach einer schweren Erkrankung zurück in das gesunde Leben? Man verübelt sich bei diesen Schritten manchmal selbst, dass sie so unsicher sind. Das ist oft für einzelne so, und es kann auch einer ganzen Gesellschaft so gehen, die sich auf einen langsamen Weg macht, der jetzt hoffentlich aus der Pandemie herausführt. Ein gut 2700 Jahre altes Lied erzählt davon:

Dies ist das Lied Hiskias, des Königs von Juda, als er krank gewesen und von seiner Krankheit gesund geworden war:

Solche Lieder sind im Tempel gesungen worden. Die Genesenen haben eingeladen, sie haben ein „Rückkehr-Ins -Leben-Fest“ gefeiert, haben Brot und Wein, Braten und Kuchen gereicht, waren zurück in der Gemeinschaft und haben gesungen. Diese Schritte zurück in das gesunde Leben mussten nicht auftrumpfend ausgelassen sein, Vorsicht und Unsicherheit verstanden sich von selbst. Die Erschütterung durch die Krankheit wirkte ja nach und davon wurde erzählt und gesungen. Wie war das gewesen?

Ich sprach: In der Mitte meines Lebens muss ich dahinfahren,
     zu des Totenreichs Pforten bin ich befohlen für den Rest meiner Jahre.
Ich sprach: Nun werde ich nicht mehr sehen den Herrn,
     ja, den Herrn im Lande der Lebendigen,
nicht mehr schauen die Menschen,
     mit denen, die auf der Welt sind.
Meine Hütte ist abgebrochen
     und über mir weggenommen wie eines Hirten Zelt.
Zu Ende gewebt hab ich mein Leben wie ein Weber;
     er schneidet mich ab vom Faden.
Tag und Nacht gibst du mich preis;
     bis zum Morgen schreie ich um Hilfe;
aber er zerbricht mir alle meine Knochen wie ein Löwe;
     Tag und Nacht gibst du mich preis.
Ich zwitschere wie eine Schwalbe
    und gurre wie eine Taube.
Meine Augen sehen verlangend nach oben:
     Herr, ich leide Not, tritt für mich ein!
Was soll ich reden und was ihm sagen?
     Er hat’s getan!
Entflohen ist all mein Schlaf
     bei solcher Betrübnis meiner Seele.

So war das. So schlimm! Der Tod war bedrohlich nah, die anderen Menschen weit weg, kein Schutz mehr, keine Decke, kalte Einsamkeit. Sogar Gott hatte sein Gesicht verwandelt, war erschienen wie ein brutales Raubtier. Nützte nichts, zu ihm zu beten. Die Krankheit war übermächtig und Er hat’s getan!

Besonders schlimm aber war die Isolation, die Enge der Einsamkeit, Siehe um Trost war mir sehr bange. – Soweit die Erinnerung. Aber an der Festtafel sitzen sie ja und singen, weil es eine Wendung gab:

Herr, davon lebt man,
     und allein darin liegt meines Lebens Kraft:
Du lässt mich genesen
     und am Leben bleiben.
Siehe, um Trost war mir sehr bange.
     Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe;
    du wirfst alle meine Sünden hinter dich zurück.
Ja die Toten loben dich nicht,
     und der Tod rühmt dich nicht,
und die in die Grube fahren, warten nicht auf deine Treue;
     sondern allein, die da leben, loben dich so wie ich heute.
Der Vater macht den Kindern deine Treue kund.
Der Herr hat mir geholfen,
     darum wollen wir singen und spielen, solange wir leben, im Hause des Herrn!

Die Erleichterung ist so groß, dass der Genesene mit einem sehr deutlichen Augenzwinkern Gott vorhalten kann: Ist auch besser so für Dich! Denn was hättest Du von mir, wenn ich gestorben wäre? Die Toten loben dich nicht … und die in die Grube fahren, warten nicht auf deine Treue. Jetzt ist aber wieder gut, Gott, für uns und für dich.

Ich finde, das ist eine gute Art, als einzelne aus dem Elend einer schweren Krankheit oder als Gesellschaft aus den katastrophalen Verhältnissen einer Pandemie zurückzukehren: nicht schnell zu vergessen, was schrecklich war, sondern es zu würdigen und zu merken: „jetzt können wir darauf zurückblicken und es in Worte fassen“, und Gott zu loben, also sich mit ihm zu verbinden, der auch für sich selbst nichts lieber wollen kann, als dass wir leben, einander berühren und beglücken, miteinander feiern und singen. Das hilft uns letztlich auch, mit uns selbst wieder einig zu sein, sofern wir uns in der Krankheit daneben gefühlt haben und uns selbst so gar nicht leiden konnten – Du hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe; du wirfst alle meine Sünden, womit ich mich selbst verfehle, hinter dich zurück. Jetzt ist auch gut …

Bleiben Sie behütet!
Ihr Pastor Dr. Kord Schoeler