Predigt 2. Sonntag nach Trinitatis

von Pastor Dr. Kord Schoeler | St. Andreas Bogenstraße 13.06.2021

Predigttext zum Nachlesen

An der Zeit!

Predigt zum 2. Sonntag nach Trinitatis 2021

Eine Konfirmandin hat für diesen Sonntag ein Gebet geschrieben:

Herr im Himmel, auch in dieser schweren Zeit wollte ich danke sagen, dass du die ganze Zeit für uns da bist. Obwohl du da bist, Corona da ist, möchte ich bitten, den Klimawandel nicht zu ignorieren.

Jetzt in Corona sehen wir, was wir, wenn wir zusammenhalten, alles schaffen können. Corona geht wieder, aber den Klimawandel wird es immer geben.

Nun: die Welt wurde von Gott erschaffen und soll auch von ihm zerstört werden – und nicht von uns Menschen.

Amen

Liebe Gemeinde,

dieses Gebet ist es wert, dass wir es gründlich auf uns wirken lassen. Es spricht von der Zeit. Zunächst dauert die Zeit, sie ist „immer“, „die ganze Zeit“. Die ganze Zeit ist Gott für uns da. Und die Zeit ist mal so, mal anders. Die Zeit jetzt ist eine „schwere“. Ich glaube, das würden viele ebenso sagen.

Dann ändern sich Zeiten auch. Man kann zwar den Eindruck haben, so allgegenwärtig wie Gott sei jetzt auch die Pandemie („Obwohl du da bist, Corona da ist …“); aber es stimmt schon: „Corona geht wieder …“. Ich finde es bewegend, wie klar das Gebet daneben setzen kann „… aber den Klimawandel wird es immer geben.“ Und daraus ergibt ich, was an der Zeit ist: „den Klimawandel nicht zu ignorieren!“

In diesem letzten Sinn ist Zeit nicht schwer oder leicht und ist auch keine Dauer. In diesem Sinn ist sie kairos, wie es im Griechischen hieß. Kairos ist die „Zeit für“, ist mit einer Gelegenheit und einer Notwendigkeit gefüllte Zeit. Es ist die kurze Zeit, in der etwas einfach dran ist, eben an der Zeit.

Von etwas Ähnlichem erzählt an diesem Sonntag das Evangelium:

Jesus erzählte: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist jetzt bereit! Da fingen sie alle an, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und ein andrer sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Wieder ein andrer sprach: Ich habe eine Frau geheiratet; darum kann ich nicht kommen. Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. Denn ich sage euch: Keiner der Männer, die eingeladen waren, wird mein Abendmahl schmecken.
Lukas 14,16-24

Die Pointe klingt einfach und hart: Irgendwann ist es dann auch zu spät, ist die Gelegenheit vorbei! Jetzt ist alles bereit, und ihr könnt kommen, später wird kein Platz mehr sein, das Haus ist dann voll. Damit dürften die Geladenen nicht gerechnet haben, dass der Gastgeber auf sie, die gute Gesellschaft, meint verzichten zu können und eben irgendwen einlädt. Wer sollte das auch sein? Irgendwer von der Straße? Doch wohl nicht! Sie haben wichtige Geschäfte, keine Zeit, er wird ein wenig warten und das Essen warmhalten können. Aber sie verschätzen sich. Sie ignorieren, was an der Zeit wäre: Kommt, denn es ist jetzt bereit!

Hier ist es ein Festmahl, zu dem zu kommen jetzt einfach an der Zeit wäre, für uns sind im Vordergrund die „schweren Zeiten“ und die drängenden Gefahren, die uns keine Zeit lassen. Man kann sich überfordert fühlen. Dann verengt sich der Blick und wir schauen nur noch darauf, wann Corona vorbeigegangen und alles, was wir gewohnt waren, wieder möglich sein wird. Aber das wäre dem Augenblick nicht angemessen. Der Klimawandel bleibt. Es ist Zeit, so viele Geschäfte, die uns wichtig, gewohnt oder schön erscheinen, zu lassen, um – die Welt nicht zu zerstören. So dringend ist es!

Ich bin dem Gebet der Konfirmandin dankbar, dass es dazu Mut macht, indem es uns erinnert, dass die Zeit immer zeitgleich mehrere Ebenen hat, die alle wichtig sind: den Kairos, den Augenblick, in dem etwas dran ist, und die Dauer, in der Gott immer für uns da ist. Das eine trägt das andere. Jetzt aber!

Bleiben Sie behütet!
Ihr Pastor Dr. Kord Schoeler