Sonntag, 21. Juni 2020

Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist,
und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.

Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes
und dein Recht wie die große Tiefe. Herr, du hilfst Menschen und Tieren.

Wie köstlich ist deine Güte, Gott,
dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!

Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses,
und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom.

Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,
und in deinem Lichte sehen wir das Licht.

(Psalm 36,6-10)

 

Weite deine Seele

Liebe Gemeinde,

Tut uns der Sommer gut? Ja und Nein.

Es ist sonnig und warm, viele werden Urlaub haben und Ferien, die Tage nehmen kein Ende, solange ist es hell. Es ist schön.

Aber über allem liegt auch Traurigkeit, gehemmtes Leben. Kann man denn reisen? Reicht dafür dies Jahr das Geld? Können wir feiern, uns nahekommen? Bloß nicht, Vorsicht!

Wir bräuchten es ja! Ausgelassenheit, Entspannung, Wärme, Leidenschaft, Sorglosigkeit, Genuss! Aber es hat sich eingenistet; in Momenten der Entspannung meldet es sich jäh: Ach ja, Corona!

Es ist wie in der Trauer, viele kennen das: man hat geschlafen, einen guten Film gesehen und hat vergessen, aber dann schleicht es sich wieder heran: Da ist doch was …? – Ach ja, der Tod!

Ach ja, Corona! Die Sorgen! Der Abstand! Die Gefahr! Die Schulden! Nicht in die Ferne reisen, nicht ausgehen, nicht tanzen, nicht im Stadion brüllen. Kein Besuch. Nicht mal das Gesicht berühren.

Was tut uns gut? Was erleichtert uns, da alles so gedrückt ist und zusammengenommen?

Es gibt poetische Sätze, die aus der Enge herausführen können:

Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, /und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.

Oder:

Wie köstlich ist deine Güte, Gott, / dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!

Oder:

Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses, / und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom.

Mit Wonne! Wie mit einem Strom! – Zuflucht haben! Unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!

Diese Sätze haben eine Substanz, als könne man sie einatmen und ausatmen. Als würden sie dann direkt aussprechen und spürbar machen:

Weite deine Seele! Lass sie auch traurig sein und hungrig, lass sie begierig sein und Zuflucht suchen!

Spüre, was Dir fehlt, meide es nicht, denn sonst wird es eng; du musst dann nämlich dauernd positiv sein und kannst es doch nicht – Ach ja, Corona! Ach ja, der Tod!

Weite Deine Seele, in alle Richtungen, himmelweit, und knüpfe im Einatmen und Ausatmen dieser Sätze eine Verbindung an, die über deine Grenzen hinausgeht:

Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, / und in deinem Lichte sehen wir das Licht.

Unser gehemmtes Leben wird so vielleicht nicht entfesselt. Aber wir gewinnen Einverständnis, hadern nicht mit den Begrenzungen, geben aber dem Hunger und dem Begehren, auch der Traurigkeit Raum als wertvolle Regungen unserer Seele – die uns an die Quelle führen.

In deinem Lichte sehen wir das Licht.

Bleiben Sie behütet!

Ihr Pastor Dr. Kord Schoeler

In der Mediathek können Sie das Grußwort auch anhören, Sie finden es unter dem 2. Sonntag nach Trinitatis am 21. Juni 2020.