Die Jüdische Gemeinde ist für uns nicht irgendjemand, nicht eine von vielen religiösen Nachbarn, die alle gleichermaßen zu achten, zu schätzen und vor Hass zu schützen sind.

Nicht erst der Anschlag vor der Synagoge im Oktober 2020 in der Hohen Weide hat uns als Gemeinde zur Stellungnahme veranlasst.

Auch am 16. August hieß es in der Predigt in der St. Andreas-Kirche:

„Wir stehen auf gemeinsamen Boden. Dass Gott bei den Menschen wohnt, ihre Nähe sucht, sich verspricht, uns begegnet in einem fassbaren Wort, das man weitersagen kann und das dem Leben einen Halt und einen guten Rahmen gibt, hat Jesus und haben wir vom Judentum gelernt.

Gemeinsam haben wir das „Höre, Israel“, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft – Das andere ist dies: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Jesus hält dies für die wichtigste Weisung, das höchste Gebot (Markus 12,29-31 und 5. Mose 6,4+5, 3. Mose 19,18).

An diese Verbundenheit denken wir nie ohne Scham. Gerade hier im Grindelviertel denken wir immer wieder an die skrupellose Drangsalierung, Vertreibung und Ermordung der jüdischen Nachbarn. Diese Morde wurden in Deutschland an den Nächsten begangen, denen wir eigentlich auch als Kirche besonders verbunden sind.

Am 10. Sonntag nach Trinitatis, dies Jahr eben der 16. August, denken wir an die zweimalige Zerstörung des Tempels in Jerusalem. Aus der Predigt:

„Mit dem Judentum verbindet uns aber auch das Wissen, dass der Ort des Friedens zerstört ist, der Raum der übereinstimmenden Begegnung, und dass wir nicht leicht zurückfinden auf den Weg des Friedens miteinander. 

… Es bleibt aber für uns alle der Gott, der aus vollem Herzen und mit all seiner emotionalen Kraft sagt: Wenn doch auch du erkenntest an diesem Tag, was zum Frieden dient! (Lukas 19,42) Und wir können diesen dringlichen Ruf aufnehmen in unsere Leidenschaft und in das, wofür wir brennen:

Wünschet Jerusalem Frieden! Es möge wohlgehen denen, die dich lieben! Es möge Friede sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen! (Psalm 122,6+7)

Wir wissen zwar: der Friede ist so weit weg in Jerusalem heute. Und in Deutschland macht sich Judenhass und Antisemitismus erschreckend breit.

Wir aber halten dem die Gemeinsamkeit entgegen:

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben … und deinen Nächsten wie dich selbst!“

Acht Wochen später wurde vor der Synagoge in der Hohen Weide ein junger Mann überfallen und schwer verletzt.

Zu so einer Tat muss man zunächst sagen: „sie ist jenseits alles Hinnehmbaren. Um das zu wissen, braucht es keine christliche oder jüdische, noch irgendeine andere Religion, es ist eigentlich Humanum, das unter Menschen fraglos Gültige.“

Aber aus der besonderen Verbundenheit mit dem Judentum habe ich am folgenden Sonntag in der Predigt gesagt:

„Was vor der Synagoge geschehen ist, geht uns an, weil uns dieser junge Mann angeht. Gottes Wort und seine Weisung machen seine Sache zu unserer. Wie es ihm geht, geht uns nah. Nehmen wir es an!“

Judenhass lehnen wir aus einem tieferen Grund ab, auch wenn Menschenanstand schon reichen würde. Es ist die Herkunft unseres Eigenen und das eine Wort, das Gott uns sagt, welches wir mit Jüdinnen und Juden teilen.

Pastor Dr. Kord Schoeler