Predigt 14. Sonntag nach Trinitatis

von Pastorin Anja Stadtland | St. Andreas Harvestehude

Predigt von Pastorin Anja Stadtland

am 5. September 2021 (14. Sonntag nach Trinitatis)

Katja hat Stress. Mit ihrem Bruder läuft es nicht rund. Das ist nichts Neues. Sie streiten sich, seit sie sich kennen. Also seit ca. 14 Jahren. Sie streiten, sie schlagen sich. Früher mit Haareziehen und Anspucken. Heute mit Gebrüll, wenn’s gut läuft schweigen sie sich an. Sie können einfach nichts miteinander anfangen.

Streit ist der Normalzustand in ihrer Familie. Auch ihre Eltern streiten. Eigentlich täglich. Wor­über? Sie finden immer irgendwas: Geld, die Arbeit, das Haus. Katja weiß nicht, warum die über­haupt noch zusammen sind. Wenn man sich gegenseitig so fertig macht. Liebe ist da nicht.

Ihr Vater schweigt. Ihre Mutter schreit. Oder weint – liegt einfach so da.

Dass es ihr auch nicht gut geht, wen interessiert’s?

Schule macht Spaß – eigentlich. Aber die neue Klasse ist blöd. Keiner will etwas mit ihr zu tun haben. Ihre beste Freundin ist in der anderen Klasse geblieben – nach der Teilung der Klassen. Und die hat jetzt andere Freundinnen. Schickere. Coolere. Manchmal treffen sie sich noch nach­mittags. Aber sie haben sich kaum noch etwas zu sagen. Das tut weh.

Und jetzt die 5 in Mathe. Englisch war auch blöd. Eigentlich ist alles echt blöd. Die Pickel sind das kleinste Problem. Sie weiß einfach nicht, wohin mit sich. Oder doch?

Früher hat sie oft bei ihrer Großmutter übernachtet. Einfach so – das war immer schön. Heiße Schokolade, Marmorkuchen. Oma hat ihr vorgelesen, bis sie heiser war. Doch in der letzten Zeit nicht mehr so. Katja ist ja jetzt groß….

Aber heute fühlt sie sich ganz klein. Der Bus fährt alle 30 Minuten. Sie packt, zieht sich an. Es ist schon spät, aber sie erwischt den letzten Bus.

Oma ist da!

Oma bezieht das Bett!

Oma kocht Kakao – mit Sahne!

Kuchen gibt es auch. Katja hat Hunger wie ein Löwe.

„Geh schlafen, wir reden morgen!“

Katja geht – nach oben. Ins Gästezimmer. Oma räumt noch auf. Katja ist müde.

Doch Katja kann nicht schlafen. Der Schlaf ist weit entfernt. Nur die Nacht ist da! Dunkelheit überall. Herz wie Stein, Gedanken im Karussell.

Katja betet: „Gott, es ist lange her, seit ich mich das letzte Mal an Dich gewandt habe.

Ich bin unsicher, wie ich’s anfangen soll, mit dir in Kontakt zu kommen. Aber da ist so vieles, was mir Gedanken macht. So viel in meinem Leben, was mich bedrückt. Und manches steht zwi­schen dir und mir. Aber wenn es dich gibt, wenn bei dir Sinn und Trost und Ziel meines Lebens ist, dann wende dich nicht ab. Gott, bleibe bei mir und segne mich! Amen“

Oma, ich kann nicht schlafen.
Was ist denn, mein Liebling?
Mein Kopfkissen ist zu dick!
Ok, ich bring Dir ein anderes! Ist das besser?
Ich versuchs mal!

Oma, ich kann nicht schlafen!
Was ist denn, mein Liebling?
Mein Kopfkissen, jetzt ist es zu dünn!
Willst Du das andere wieder benutzen?
Nein, das geht ja immer noch nicht!
Ok, ich schau mal, ob ich noch was besseres finde! Schau mal, das habe ich gefunden. Ich kann darauf prima zur Ruhe kommen.
Ok, Oma, ich versuch’s mal!

Oma, ich kann nicht schlafen!
Was ist denn, mein Liebling?
Ich weiß auch nicht, Oma!
Das Kissen?
Ja, das ist so hart – wie ein Stein!
Willst Du mal mein’s versuchen?
O ja, danke Oma!

Oma, ich kann immer noch nicht schlafen?
Was ist denn, mein Liebling?
Das Kissen?
Nee, Dein Kissen ist gut, aber… es ist so dunkel, Oma!
Soll ich die kleine Lampe holen?
Das wäre toll, der leuchtende Löwe – hast Du den noch?
Sicher! Ich schau mal! Hier ist er! Jetzt besser?
Viel besser!

Oma, ich kann immer noch nicht schlafen?
Was ist denn, mein Liebling?
Es ist so leise. Ich habe Angst!
Soll ich mich zu Dir setzen?
Oma, das würdest Du tun?
Ja mein Liebling. Ich sitze hier neben dir, bis Du eingeschlafen bist!

Die Nacht ist vergangen. Der Morgen ist da!
Katja hat ausgeschlafen. Sie geht die Treppe herunter. Oma ist in der Küche. Das Frühstück steht schon auf dem Tisch. Frisches Toast. Und sogar ein Ei. Ihre Oma nimmt sie in den Arm.
Gut geschlafen, mein Liebling?
Ja, Oma. Ich fühle mich… wie neu! Und ich habe etwas ganz Komisches geträumt.
Was denn?Ich habe geträumt, ich konnte nicht schlafen. Und Du bist gekommen. Immer wieder – die Treppe hoch und runter. Hast mir ein Kissen gebracht, dann ein anderes. Eine Lampe. Und Du hast ge­sungen für mich. Du hast mich Liebling genannt. Immer wieder.
Das hast Du geträumt, mein Schatz?
Ja Oma, gut dass Du da bist!

Ich lese den Predigttext für den heutigen Sonntag (1. Mose 28, 10-19):

10 Aber Jakob zog aus von Beerscheba und machte sich auf den Weg nach Haran 11 und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein von der Stätte und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an der Stätte schlafen. 12 Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Him­mel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. 13 Und der Herr stand oben dar­auf und sprach: Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. 15 Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe. 16 Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht! 17 Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels. 18 Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goss Öl oben darauf 19 und nannte die Stätte Bethel, Haus Gottes.

Amen