Die Steinmeyer-Orgel

Neobarock geprägter Orgelbau, zukünftige Denkmalorgel

2019: Die Sanierung der Steinmeyer-Orgel von 1970

Zur Sanierung der Steinmeyer-Orgel

Die Orgel wurde 1970 von der Werkstatt G. F. Steinmeyer aus Öttingen unter der Opus-Nr. 2235 erbaut. Sie ist bis heute unverändert erhalten. Das Instrument verfügt über 37 Register, verteilt auf 3 Manuale und Pedal, Schleifladen mit elektrischer Spiel- und Registertraktur (elektropneumatische Ansteuerung mit 12V Reisner Magneten und Bälgchen). 

Sie besteht aus einer 2-manualigen Hauptorgel im Kirchraum und einem 1-manualigen Positiv mit Pedal als Chororgel auf der Empore. Spieltisch und Chororgel stehen auf der Empore, die Hauptorgel steht erhöht an der südlichen Wand des Kirchraums. In ihrer Konstruktion und in ihrem Klangbild ist sie als künftige Denkmalorgel denkbar.

Soweit eine kurze Zusammenfassung, mit der unsere Orgel in die gerade erschienene Neuauflage des Hamburger Orgelinventars Eingang gefunden hat (Infos zum Buch hier). Das neobarocke Klangbild, mit dem sie uns seit knapp 50 Jahren begleitet, entsprach der damaligen Mode im Orgelklang der Nachkriegsjahre, sich von einer romantischen Intonierung abzusetzen. Die Steinmeyer-Orgel in St. Andreas kann als eines der wenigen Instrumente aus dieser Epoche gelten, die mit einem überzeugenden Klangbild aufwarten konnten und diese Qualität bis heute erhalten haben. Kompositionen aus dem Barock wie die eines Johann Sebastian Bach erklingen hier in ihren stringenten Linien auf besonders klare Weise.

Die technische Besonderheit unserer Steinmeyer-Orgel

In dieses Horn sozusagen stößt auch Orgelbauer Frank Retterath, der bei uns zusammen mit der in Ausbildung befindlichen Orgelbauerin Christine Wolscht über den Sommer sämtliche Pfeifen ausgebaut, instandgesetzt und gestimmt hat. „Die damaligen Orgelbauer haben in allen Bereichen hervorragende Arbeit geleistet, an der Orgeltechnik an sich fallen keine zusätzliche, unerwartete Reparaturen an“, stellt er mit deutlichem Respekt fest. Erfreut zeigt er sich auch über ein Konstruktionsmerkmal, das im Unterschied zu vielen anderen Orgeln bisher erhalten worden ist und weiterhin bleiben wird: die Ansteuerung der Register vom Spieltisch erfolgt nur bis kurz vor die Ventile mittels elektrischer Impulse.

Dann übernimmt eine Umsetzung in eine Pneumatik, die letztlich das jeweilige Ventil bedient. Da dies im Gegensatz zu früher inzwischen mittels geeigneter Bauteile möglich ist, wurden vielen Orgeln im Laufe der Jahrzehnte umgerüstet. Denn die pneumatische Ansteuerung zieht eine minimale Verzögerung bei der Entstehung eines Tons nach sich. Zusammen mit der Tatsache, dass der Spieltisch auf der Empore auch noch etwas um die Ecke steht, bedeutet dies eine permanente Herausforderung für Organistinnen und Organisten.

Unsere Steinmeyer-Orgel ist mit ihrem technischen Originalzustand und ihrem Klangbild ein repräsentativer Zeitzeuge einer Epoche des Orgelbaus. Und sie ist damit in das Orgeljahr 2019 „Orgelstadt Hamburg“ ebenso gut eingebettet wie in die 2017 durch die UNESCO erfolgte Anerkennung des deutschen Orgelbaus als immaterielles Weltkulturerbe. Landeskirchenmusikdirektor Hans-Jürgen Wulf, der uns auch zu Orgelweihe und Festkonzert zur Nacht der Kirchen besuchen und über die Orgel sprechen wird, hatte es vor ein paar Jahren in einem Gutachten schon so formuliert: „Im Gesamtergebnis ist diese Orgel für mich in ihrer besonderen Konstruktion und Klanggestalt ein schätzenswertes Instrument, eine zukünftige Denkmalorgel aus der Zeit des neobarock geprägten Orgelbaus. Sie sollte grundsätzlich wie eine sog. historische Orgel behandelt werden, auch wenn uns das im Bezug auf das 20. Jh. oftmals noch fremd ist.“

Die künftige Orgelbauerin Christine Wolscht überarbeitet die Spunde der Holzpfeifen

Einstweilen sind die Orgelbauer der Firma Klais unermüdlich unterwegs – auf dem Gerüst, im Orgelwerk und in der in der Kirche eingerichteten Pfeifen-Werkstatt. Dann und wann konnten auch Passanten einen Eindruck gewinnen, wenn etwa die Auszubildende Christine Wolscht die Werkbank im Haupteingang der Kirche stehen und an Pfeifen gearbeitet hat. Sie geht nun ins dritte Ausbildungsjahr als Orgelbauerin. Die sicher nicht gewöhnliche Berufswahl war für sie eher folgerichtig sehr gut passend, da sie sich schon früh als Musikliebhaberin entdeckt hat, sie eher etwas handwerkliches machen wollte und gleichermaßen an Holz- wie Metallarbeiten Freude hat. Dazu gesellen sich noch viele andere Materialen wie Leder, Filz und Talkum, die fachgerecht gehandhabt werden müssen.

Traditionsreiches und vielfältiges Orgelbauhandwerk

Auch nach der Ausbildung gibt es noch viele Entfaltungs- und Abwechslungsmöglichkeiten in Schwerpunkte wie die Konstruktion einer neuen Orgel oder die Sanierung und Restaurierung älterer Orgeln vor Ort in den Kirchen. Die duale Ausbildung wird über die einzige Orgelbauberufsschule in Deutschland im baden-württembergischen Ludwigsburg durchgeführt, rund 60 Absolventen pro Jahr werden als Instrumentenbauer in das traditionsreiche Handwerk entlassen. Über diese Tradition ist auch einiges von Frank Retterath zu erfahren.

Orgelbauer Frank Retterath an der Orgelpfeifen-Richtbank

Zwar ist er etwa sechs Monate im Jahr fern der Heimat in der Vulkaneifel unterwegs, ganz früher seien Orgelbauer aber nebst Familien und komplettem Hausstand von Orgelbaustelle zu Orgelbaustelle gezogen, um über Jahre vor Ort an neuen Instrumenten zu arbeiten. Schließlich gab es weder Werkstätten wie heute noch Möglichkeiten, vor allem Pfeifen unbeschadet und ungeachtet der Witterungsverhältnisse zu transportieren.

Daher, und allein der Gedanke an ein solches Vorhaben weckt seine Begeisterung, wurden seinerzeit auch die Blechplatten für die Fertigung der Metallpfeifen direkt in der Kirche in einem Sandbett gegossen. Das ist in St. Andreas nun nicht zu erleben, dafür erklärt Frank Retterath, warum er wie auf dem Bild erkennbar beim Arbeiten mit Metallpfeifen Handschuhe trägt: etwaige Finger- und Handabdrücke würden durch die Reaktion von Schweiß und Fett mit der Metalllegierung irgendwann zu Korrosion führen. Neue Pfeifen sind da extrem empfindlich, ältere Pfeifen sind weitgehend durch eine Patina geschützt – trotzdem ist sorgfältiges Arbeiten geboten.

Das Geheimnis der Pfeifen

Schon seit 22 Jahren ist Retterath für die Firma Klais tätig, auch in Hamburg war er an Restaurierungen beteiligt. Dazu zählt die Marcussen-Orgel im Michel, in dem auch ein größerer Bruder unserer Steinmeyer-Orgel eine ebenso neobarocke Disposition erklingen lässt. Die Bonner Orgelbauer zeichnen auch verantwortlich für die Orgel in der Elbphilharmonie.

Von den originalen Unterlagen zum Bau unserer Orgel sind zwar noch viele Dokumente im Archiv zu finden, nicht zu entdecken war eine genaue Zahl der Pfeifen, die gerade akribisch sortiert in den Kästen liegen oder an der Wand lehnen. Frank Retterath macht die grobe Rechnung auf, dass bei 56 Tasten und 37 Registern 2072 Pfeifen im Kasten stecken. Eine Unschärfe gibt es durch das Pedalwerk mit nur 30 Pedalen und den vielen und umfangreichen Mixturen, bei denen mehrere Pfeifen gleichzeitig beim Betätigen einer Taste erklingen. Dankenswerterweise haben er und Christine Wolscht sich die Mühe gemacht, eine Zählung durchzuführen und dabei 2539 Pfeifen festzustellen – endlich ist diese Zahl mal dokumentiert!

Die einzigen technischen Neuerungen stecken im Spieltisch

Ein Gang auf die Empore führt zum ausgeweideten Korpus des Spieltisches und dem ebenso in Arbeit befindlichen Chorwerk. Dieses, und das ist eine der beiden wesentlichen Neuerungen des Spieltisches, soll künftig mit dem Hauptwerk gekoppelt werden können, so dass noch mehr Klang und Klangvielfalt geschaffen werden kann. Bisher war es nur möglich, entweder das Hauptwerk oder die Chororgel zu bespielen. Darüber hinaus lassen sich mit der neuen elektronischen Setzeranlage künftig noch wesentlich aufwändigere und eindrucksvollere Registrierungen vornehmen.

Der Spieltisch wird in diesen Tagen im August schon wieder in Betrieb genommen und die Pfeifen kommen auch nach und nach wieder an ihren Platz. Dann, so freut sich Frank Retterath schon, kann er der Steinmeyer-Orgel wieder die ersten Töne nach der Instandsetzung entlocken.

Es gäbe noch viel zu erzählen über diese Königin der Instrumente, ihre Funktionen, Geschichte und die ihrer vielen Schwestern. Für hier sei ein herzlichstes Dankeschön an die Fa. Klais und vor allem an Christine Wolscht und Frank Retterath ausgesprochen, die auch immer ein offenes Ohr und Zeit für Fragen und interessierte Besucher hatten.

Ein sehr großes und sehr herzliches Dankeschön gebührt auch den vielen Gottesdienstbesuchern, die in den letzten rund 4 Jahren unermüdlich am Ausgang in die Orgelkollekte gespendet haben. Die genaue Zahl steht noch aus, aber allein in 2018 waren es fast 8 000 Euro, die wir für die Sanierung unserer Steinmeyer-Orgel und damit wieder für viele Jahre wundervoller und bereichernder Kirchenmusik für das Gotteslob in der St. Andreas-Kirche verbuchen dürfen.

Ihnen allen nochmals vielen Dank!

Hanns-Georg Hanl

Kirchengemeinderat