Predigt 2. Sonntag nach Epiphanias 2021

von Pastorin Anja Stadtland | St. Andreas Harvestehude

Predigt am 2. Sonntag nach Epiphanias (16. Januar 2022) von Pastorin Anja Stadtland

Liebe Gemeinde!

Lassen Sie uns über Gott reden.

Am zweiten Sonntag nach Epiphanias. Dem Fest der Erscheinung Gottes. Er hat sich gezeigt. Jetzt ist alles klar.

Dreieinhalb Wochen nach Weihnachten. Dem Fest der Geburt Gottes als Mensch unter Menschen. Gott hat sich offen zugänglich gemacht: In diesem Stall in Bethlehem, als nacktes Geschöpf in der Krippe. Die Besucher*innen vom Kindskiek sind schon wieder gegangen. Als Wissende nun? Gott ein kleines Kind? Mit menschlichem Antlitz! Jetzt ist alles klar.

Überall nun, nachdem die weihnachtliche Romantik der Frühlingssehnsucht weicht, Sterne nicht mehr ganz so hell leuchten, lauern die Bedenkenträger*innen neben den abgeputzten Bäumen, die traurig auf der Straße gelandet sind. Das soll alles gewesen sein? Und wie geht es nun weiter mit diesem Wunderknaben, dem göttlichen Kind, das der Krippe entsprungen unsere Welt retten will oder soll oder muss?

Weihnachten von Gott zu sprechen, das ist eine der leichteren Übungen. Wir haben Lieder, die in al­ler Munde sind, oder es zumindest noch vor nicht allzu langer Zeit waren. Wir haben Symbole, die uns – als Gesellschaft – durch diese Zeit tragen. Die Sterne, die Krippe, um nur die aus der ersten Reihe zu nennen. Damit kann sogar meine muslimische Nachbarin etwas anfangen. Ich steh’ an Deiner Krippen hier, oh Jesu, Du mein Leben. Und hier wird mir das Geheimnis offenbar, für einen Moment erahne ich, wie es sein kann mit Gott und der Welt. Ich bin angekommen, beuge meine Knie, wie die Hirten, bete und möchte bleiben. Hier für immer. Doch kann ich nicht bleiben. Der Glaube muss auf die Füße! Will in die Welt getragen werden. Diese Botschaft soll doch jeder und jede hören können. Doch wie kann ich von Gott reden, und zwar so, dass denen, die mich reden hö­ren, ein Licht aufgeht. Sie dieses Geheimnis erkennen, vielleicht nicht verstehen, sich aber auf den Weg machen?

1 Auch ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen.
2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Ge­kreuzigten.
3 Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern;
4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, son­dern im Erweis des Geistes und der Kraft,
5 auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.
6 Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen; doch nicht von einer Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen.
7 Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbe­stimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit,
8 die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
9 Sondern wir reden, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): „Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lie­ben.“
10 Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes.

Das schreibt Paulus. (1. Kor 2, 1-10) An seine Gemeinde in Korinth, die er ungefähr im Jahr 50 n.Chr. gegrün­det hat. Er ist in Ephesus und hört von den Spannungen in Korinth. Einer gewachsenen und wach­senden Gemeinde. Viele Menschen, viele Probleme, soziale Ungerechtigkeit, Streitigkeiten über Glaubenspraxis, es gibt viel Trennendes, und der Blick auf das, was die Christ*innen verbindet, ist verstellt. Was glaubst Du? Und was ist, wenn Du anders glaubst als ich? Aus der Ferne versucht er, seiner Gemeinde zur Seite zu sein, zu vermitteln und einen klaren Blick zu ermöglichen.

Natürlich wäre es hilfreich, wenn er genau sagen könnte: Gott ist erstens, zweitens, drittens. Daraus folgt für Euer Leben erstens, zweitens, drittens. Da gibt es keine zwei Meinungen. Klarheit leuchtet – alles klar.

Doch Paulus spricht von Gott als Geheimnis. Von Gottes verborgener Weisheit. Eine verborgene Weisheit, die sich noch dazu nur denen offenbart, die im Geist Gottes leben. Paulus spricht von Christus als dem Gekreuzigten.

Ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern, schreibt Paulus, und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.

Nun ist es so mit diesen biblischen Texten Sie haben ihren Sitz im Leben, hier die Situation in Ko­rinth, in die hinein sie geschrieben sind. Doch wir lesen und hören sie heute: Anfang 2022 in Ham­burg, in unserer Gemeinde, mit den hier anwesenden Menschen.

Natürlich wäre es einfacher, wenn ich Ihnen heute sagen könnte, Gott ist erstens, zweitens, drittens. Wäre es gut? Nein, ich halte mich gern an Paulus. Mit klugen Worten Gott beschreiben, das klappt nicht.

Ich halte mich gern an Karl Barth, den Theologen, der mit seiner „Wort-Gottes-Theologie“ vor gut hundert Jahren für Aufsehen sorgte: Wir sollen als Theo­logen von Gott reden. Wir sind aber Men­schen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen Beides, unser Sollen und unser Nicht-Können, wissen und eben damit Gott die Ehre geben.

Ich halte mich gern an Qohelet, den Prediger Salomo, der Jahrhunderte vor Jesu Geburt versucht hat, Gott zu erkennen und dann feststellt: Der Mensch kann das Werk Gottes nicht ergründen.

Doch halte ich mich an diese drei, stehe hier und kann nicht anders, als eben im Vertrauen darauf zu sprechen, dass Gott sich selbst zur Sprache bringt. Sich ergründen lässt in meinem Gestammel.

Paulus sagt: „Ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu verkündigen, als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.“ Und meint: den Gekreuzigten, Gott, den Heruntergekommenen in die Tiefe der Welt, den Menschgewordenen, der Leiden und Sterben erfahren hat leibhaftig. Und meint damit: Was?

Gott erscheint, ein Hauch von Ahnung umgibt uns, manchmal. Jetzt und schon nicht mehr! Der Geist weht, wo er will. Flüchtig und unfassbar! Glaube kann nicht heute gut und morgen besser sein. Erkenntnis nicht heute klar und morgen noch klarer. Auf dem Weg sind wir, die wir Gott su­chen, in der Tiefe vertrauen, neugierig seinem Geheimnis auf der Spur sein zu können.

Amen