Predigt 1. Advent 2021

von Pastor Dr. Kord Schoeler | St. Andreas Harvestehude

   

Im Kommen

Predigt zum 1. Sonntag im Advent 2021

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird.
Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen.
Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: »Der Herr ist unsere Gerechtigkeit«.
Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der Herr, dass man nicht mehr sagen wird: »So wahr der Herr lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!«, sondern: »So wahr der Herr lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel heraufgeführt und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Landen, wohin sie verstoßen waren.«
Und sie sollen in ihrem Lande wohnen.
(Jeremia 23,5-8)

Liebe Leserin, lieber Leser,

Advent heißt „Ankunft“. „Siehe es kommt die Zeit.“ „Siehe, dein König kommt zu dir.“ Das sind Grundworte des adventlichen Gefühls. Die Haltung ist: Erwartung des Möglichen, das allerdings nicht ohnehin zu erwarten oder auch nur wahrscheinlich war.

Das Volk Israel vor etwa 2600 Jahren, zur Zeit des Propheten Jeremia erwartete gegen alle Wahrscheinlichkeit einen geistbegabten König, der das Zusammenleben gut machen würde, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben würde, Verhältnisse schaffen, auf die man sich ohne Angst verlassen könnte. Es hätte für sehr viele auch bedeutet, dass sie erst einmal aus dem Exil hätten zurückkehren können – und dann in ihrem Lande wohnen, einfach sicher wohnen, in Ruhe, ungefährdet und im Frieden.

Was würde für uns so ein König bringen? Ich habe Jugendliche gefragt. Drei Dinge standen für sie vornean:

Es gäbe keine Diskriminierung, wir würden uns gegenseitig achten, wir würden einander gerecht.

Es gäbe kein Corona mehr; wenn eine Seuche ausbrechen würde, würden wir der Gefahr gerecht werden und alle rechtzeitig schützen.

Der Klimawandel würde rechtzeitig gestoppt. Wir würden der Welt gerecht werden, wir würden allen Pflanzen und Tieren und anderen Organismen, mit denen wir leben, genug Lebensraum lassen.

Keine Diskriminierung, kein Corona, kein schädlicher Klimawandel mehr – dass wir aus eigener Kraft je diese Ziele erreichen könnten, scheint uns fast nicht möglich zu sein. Wir schwanken eher zwischen Hoffnungslosigkeit, verzweifeltem Zorn, berechtigter Wut und dem Gefühl, dass wir es lieber nicht so genau wissen wollen. Deshalb nimmt dieser König zunächst Kontakt zu unserem Herzen auf:

Das schreib dir in dein Herze, / du hochbetrübtes Heer, / bei denen Gram und Schmerze sich häuft je mehr und mehr, / seid unverzagt, ihr habet / die Hilfe vor der Tür; / der Eure Herzen labet / und tröstet, steht allhier.

(Paul Gerhardt: Wie soll ich dich empfangen, Evangelisches Gesangbuch (EG) 11,6)

Oder:

Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, / eu’r Herz zum Tempel zubereit‘. / Die Zweiglein der Gottseligkeit / steckt auf mit Andacht, Lust und Freud; / so kommt der König auch zu euch, / ja, Heil und Leben mit zugleich. / Gelobet sei mein Gott, / voll Rat, voll Tat, voll Gnad.

(Georg Weissel: Macht hoch die Tür, EG 14)

Dass sich Gram und Schmerze … häuft je mehr und mehr, würden im Moment viele so sagen können. Und adventliche Hoffnung spricht genau in diese Situation hinein. Es ist etwas im Kommen, was ihr nicht aus eurer verdrießlichen Lage ableiten könnt, was sich nicht aus irgendeiner Sachlage ergibt. Es ist einer im Kommen. Jugendliche kennen die Lage der Welt und die Probleme ihres und unseres Lebens heute sehr genau; sie sehen das alles nüchtern und oft überscharf. Sie erwarten trotzdem: Keine Diskriminierung, kein Corona, kein schädlicher Klimawandel mehr! Dass das möglich sein sollte, ergibt sich nicht aus unserem Leben, es ergibt sich aus dem Vertrauen auf Gott, der im Kommen ist. Es ist eine Erwartung aus gelockerten Herzen, die schon eine Erfahrung damit haben: Als mir das Reich genommen, / da Fried und Freude lacht, / da bist du, mein Heil kommen, und hast mich froh gemacht. (EG 11,3).

Wir können gerade jetzt nichts Besseres und nichts Adventlicheres tun, als uns in der dringenden Erwartung zu bestärken: Er kommt, er kommt mit Willen, ist voller Lieb und Lust, / all‘ Angst und Not zu stille, / die ihm an euch bewusst. (EG 11,7)

Bleiben Sie behütet!
Ihr Pastor Dr. Kord Schoeler