Und zur sechsten Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.
Und zur neunten Stunde rief Jesus laut: … Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
(Markus 15,34)
Es ist Mittag, aber „eine Finsternis kommt über das ganze Land.“
Unsere Tage jetzt sind frühlingshaft, Vögel singen, die Sonne scheint länger, milder, aber wir stellen viel von unserem Leben ein. Wir kommen kaum mehr zusammen, wir bleiben allein. Wir fürchten die Krankheit, wir fürchten den Tod, zu Recht! Wir sind aus Vorsicht und aus Rücksicht allein.
Wo ist Gott? Ist er gegangen? Hält er sich fern?
Als es über seiner Hinrichtungsstätte finster wird, brüllt Jesus es heraus:
„Mein Gott, mein Gott! Warum hast du mich verlassen?!“
Wir sind angesichts der Bedrohung durch die Corona-Pandemie noch auffallend still, keiner und keine schreit aus Hilfslosigkeit und Entsetzen vor dem Tod. Vielleicht fühlt sich noch niemand so ganz verlassen? Noch ist es ja auch weitgehend eine gemeinsame Sache: wir ziehen uns alle zurück, um uns gegenseitig vor der Seuche zu schützen.
Manchen mag aber auch schon zum Schreien zumute sein, weil sie ganz allein sind und bleiben, weil ihnen alle Tätigkeit verwehrt ist, die ihr Leben sonst ausmacht, weil sie Angst um ihre Existenz haben, weil die Krankheit sie oder einen nahen Menschen ereilt hat und der Tod droht.
Wo ist Gott? Ist er gegangen? Hält er sich fern?
Er ist selbst genau da: in der Verlassenheit. Er teilt mit uns das schlimmste, was in seiner Schöpfung passieren kann, dass es mittags finster wird und im Frühling der Tod droht, dass das Leben sich gegen das Leben kehrt.
Nehmen Sie das in die nächsten Wochen mit:
In Jesus haben Menschen Gott, Liebe, Zuwendung in Potenz erkannt, Gottes Sohn, den geborenen Gott.
Als sie sich gegen ihn kehren, bleibt er, duldet er, hält er aus, bis er selbst schreien muss: warum hast du mich verlassen? Mein Gott?!! Und bleibt.
Gott bleibt. Bei uns. Jetzt.
Pastor Dr. Kord Schoeler
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