Predigt am Ostersonntag 2020:
Seltsam unbestimmt, zögernd und doch schon gewiss – wie in der Morgendämmerung nach einer finsteren Nacht – so schwebt die Melodie des Liedes „Christ ist erstanden“ im mystischen Halbdunkel des leeren Kirchraums. Mehr als 800 Jahre ist sie alt und wurde schon zu so vielen Osterfesten gesungen. Aber wohl noch zu keinem, an dem die Kirche leer bleiben musste zum Schutz vor einer todbringenden Krankheit.
Christ ist erstanden von der Marter alle, des sollen wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein, kyrieleis. Das haben sie auch schon zu Pestzeiten und an all den Osterfesten zu Kriegszeiten gesungen. Aller Marter und Qual zum Trotz: Er ist auferstanden: Gott hat den Tod und das Leid besiegt. Nicht, dass sie nicht mehr da wären in dieser Welt. Aber Christus, der Auferstandene, will unser Trost sein, er, der nicht mehr tot ist, sondern lebt, will, dass wir froh sind.
Das möchte ich Ihnen auch heute sagen und kann es doch nicht persönlich tun, obwohl diese Botschaft doch etwas so zutiefst persönliches ist, keine bloße Theorie, sondern etwas, das in der Begegnung vermittelt wird.
So war es auch bei den ersten Zeugen der Auferstehung damals. Lukas erzählt:
Aber am ersten Tag der Woche sehr früh kamen die Frauen zum Grab und trugen bei sich die wohlriechenden Öle, die sie bereitet hatten. Sie fanden aber den Stein weggewälzt von dem Grab und gingen hinein und fanden den Leib des Herrn Jesus nicht.
Ganz kalt ist es noch so in der Frühe. Das Dunkel der leeren Grabeshöhle verschmilzt mit dem Dunkel das sich in ihren Herzen ausgebreitet hat, seit sich mitten am Tag der Himmel verfinsterte und alles anders wurde. Seit der starb, der ihr Leben war. Und nun können sie ihm nicht einmal diesen letzten Dienst erweisen. Verloren stehen sie im leeren Grab.
Und als sie darüber ratlos waren, siehe, da traten zu ihnen zwei Männer in glänzenden Kleidern. Sie aber erschraken und neigten ihr Angesicht zur Erde. Da sprachen die zu ihnen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden. Gedenkt daran, wie er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war und sprach: Der Menschensohn muss überantwortet werden in die Hände der Sünder und gekreuzigt werden und am dritten Tage auferstehen. Und sie gedachten an seine Worte.
Die Worte Jesu kannten sie ja schon. Aber dennoch stehen sie zuerst ratlos am leeren Grab, begreifen erst als die Männer mit den glänzenden Kleidern es ihnen erklären. Hin- und hergerissen noch zwischen Furcht und Freude, Verwirrung tun sie, wie ihnen aufgetragen wurde:
Und sie gingen wieder weg vom Grab und verkündigten das alles den Elf und allen andern Jüngern.
Christ ist erstanden von der Marter alle, das sagen die Frauen und bekommen die Antwort „Das ist doch bloß Geschwätz!“ Der Funke, den die glänzenden Auferstehungsboten den Frauen ins Herz gegeben haben, springt nicht über.
Erst viel später, als die Jünger selbst dem Auferstanden begegnen, fangen sie an, zu begreifen. Und manche merken selbst das erst im Nachhinein: Brannte nicht unser Herz als er mit uns sprach?
Schließlich aber, mit Verzögerung, antworten sie auf die Botschaft der Frauen: Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!
Halleluja! Im Lied „Christ ist erstanden“ ist der Halleluja-Teil jünger als der Rest. Es ist ein Weg des Erkennens bis dorthin, besonders in diesem Jahr in dieser Kirche, leer wie die Grabeshöhle, mit dem einzelnen Licht der Osterkerze, das wir nicht an Sie weitergeben können, jedenfalls nicht materiell.
Während ich das bedaure, wird mir bewusst, warum wir alle das so mitmachen: Wir wissen um den unendlichen Wert jedes einzelnen Lebens. Wir Christen haben uns sagen lassen, dass Gott dies Leben liebt und will, so sehr, dass er selbst seins dafür gab – und unseres gewann. Dass so viele Menschen um mich herum dies augenscheinlich erkannt haben und danach handeln:
Zu Hause bleiben, füreinander klatschen, beten, einkaufen oder was auch immer sie gerade tun können, das lässt in mir heute die Osterbotschaft ankommen: „Des soll wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein!“
Die Ostergeschichten zeigen: Wir haben es nicht in der Hand, wann und wie der Funke überspringt. Aber: kann es nicht sein, dass wir dem Auferstandenen gerade in denen begegnen, die uns nicht begegnen und doch da sind und das Dunkel hell machen, die leere füllen.
Christ ist erstanden! Kyrieeleis und Halleluja!
Mit herzlichen Grüßen von Ihrer Pastorin Ute Parra